Knoblauch, Dracula und Peter Maffay – und die Sieben Zwerge
In Cluj erlebte ich, wie Multikulti funktionieren kann. Ich studierte mit Menschen verschiedenster Herkunft: mit Rumänen, Deutschen, Franzosen, Niederländern, Italienern und auch Ungarn. Eine texanische Kommilitonin verglich die Landschaft Siebenbürgens während einer Wanderung einmal mit einem Märchenwald. Da ist etwas dran. Denn das Land ist von prächtigen Hügeln und Bergen gesäumt. Hinter den Karpaten, der ehemaligen Grenze zwischen Ungarn und Rumänien, liegt im Süden die Walachei. Wenn also schon zwei rumänische Regionen als Sinnbilder für Rückständigkeit herhalten müssen, sind wir vielleicht ja wirklich Hinterweltler – und Siebenbürgen müsste eigentlich Hinterwald heißen. In Grimms Märchen heißt es, hinter den sieben Bergen lebten die sieben Zwerge. War das wohlmöglich in der Walachei? Haben die Gebrüder etwa mangels gründlicher Recherche versäumt zu erwähnen, dass die sieben verliebten Bergbau-Liliputaner Rumänen waren? Vielleicht ist Peter Maffay ja ein Nachfahre dieser Boygroup. Schließlich hat der gebürtige Siebenbürger selbst von „sieben Brücken“ gesungen. (Nicht böse sein Peter. Ich habe meinen Eltern dein letztes Album geschenkt, bin selbst kaum größer, heiße wie Du und bin dein Landsmann. Also: take it easy)
Brücken, Burgen und Berge – und alles mit Bezug auf die Zahl Sieben. Das scheint wie eine wahre Bastion des Aberglaubens. Nicht umsonst bezeichnet der englische Anwalt Jonathan Harker, Protagonist in Bram Stokers weltberühmten Horror-Roman Dracula, die Bewohner Transsilvaniens als äußerst abergläubisch.
Vlad III. Tepes, Draculea
Stoker selbst war nie in Siebenbürgen. Während Stokers Dracula ein Székler also wie ich ein Ungar war, herrschte der echte Dracula über das Fürstentum Walachei. Die historische Figur, Vlad III., Tepes (der Pfähler) oder auch Draculea (Sohn des Drachen) genannt, war also ein Rumäne. Durch die Mitgliedschaft im Nürnberger Drachenorden bekam sein Vater Vlad II. den Beinamen Dracul, der Drache. „Dracul“ bedeutet auf Rumänisch aber nicht nur Drache, sondern auch Teufel.
Als ich mich also selbst für ein Jahr zurück nach Transsilvanien wagte, hatte ich keine Angst. Fortuna hatte mich abgesichert. Allein mein Name – Knobloch – muss jeden Durchschnittsvampir verschreckt haben. Und auch meine Nachbarn erwiesen sich zu meinem Glück nicht nur als überaus freundlich, sondern als ebenso schwerhörig. Meiner Liebe zur Musik stand somit weiterhin nichts im Wege.
Was mich vielleicht ebenfalls vor dämonischem Unheil bewahrt haben könnte, war mein Appartement mit der Nummer Sieben. Zwar bin ich nach wie vor nicht abergläubisch. Aber meine gesamte Studienzeit in Siebenbürgen war von einer einzigen Glücksträne gesegnet. Und vielleicht haben so viele Sieben im Zusammenspiel doch ein Quäntchen Wirkung gezeigt.
Nach Abgabe meiner Diplomarbeit habe ich mich ins tatsächliche Reich Draculeas gewagt, nach Bukarest. Dort arbeitete ich in der Redaktion der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien und schrieb vor allem für den Wirtschaftsteil. Zwar hatte ich keine Vorkenntnisse, konnte mich jedoch durch einen sicheren Stil so sehr behaupten, dass einige Kollegen mich am liebsten dabehalten hätten. Bukarest hatte jedoch mir zu wenig zu bieten. Es ist eine Stadt aus Beton, voller Korruption und sozialer Kälte, eine Kapitale, die aus meiner Sicht alle Schattenseiten des Landes auf sich vereint.
► Alle guten Dinge sind Sieben. Meine journalistische Laufbahn