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Dieser Artikel ist in gekürzter Form auf der Seite "Der,die,das" in der aktuellen Ausgabe des Freitag erschienen.In der Kolumne Männersache/Frauensache beschreiben weibliche und männliche Autoren Erlebnisse und Eindrücke, die sich um ihre Frau- bzw. Mannsein drehen.
Ich sitze im Schneidersitz weich auf einem Stapel gefalteter Decken, darunter liegt eine Judomatte auf dem Boden. Dabei lausche ich den Worten von Jan, entspanne mich und lasse den Alltag hinter mir. Jan leitet mich durch die Meditation, mich und zwei sympathische Herren mittleren Alters. Erst vor kurzem traten auch zwei Frauen unserer Qi-Gong-Gruppe bei. Doch heute sind wir wieder einmal in unserer kleinen Männerrunde – ganz ohne Quote, reiner Zufall.
In gewisser Weise bin ich hier, um mich von meinem alten Ich zu verabschieden. Einem typischen Männer-Ich. Mein halbes Leben lang hatte ich Karate trainiert. Zwölf Jahre lang stand ich jede Woche drei Mal auf der Matte, hatte Pokale gewonnen, Kinder und später auch Erwachsene unterrichtet. Ich war gut, in dem was ich da tat.
Im Kindergarten hatte ich Spinnenbeine, war auch in der Schule meist der Kleinste und Schwächste. Mit den Erfolgen beim Karate wuchs in mir ein Gefühl von Sicherheit. Ich wurde immer disziplinierter, zielstrebiger und lernte mich durchzusetzten. Aber diese Tugenden wurden irgendwann zu Lastern. Mit meiner Sturheit biss ich immer öfter auf Granit.
Da war etwas in mir herangereift, das meine Umwelt und ich lange Zeit mit Selbstbewusstsein verwechselten. In Wahrheit war es nur ein Panzer, mein Ego. Bis zu einem Punkt hatte mich dieser Panzer beschützt, danach begann er mich einzuengen. Vor zwei Jahren hatte ich genug und brach mit diesem harten, ach so männlichen Ich. Mein Schwarzer Gürtel liegt zusammen mit den Pokalen gut verstaut im Keller.
In meiner Meditationsgruppe lerne ich, mich von meiner harten Schale zu befreien, meinen Panzer loszulassen. Ich reise durch meinen Körper, gehe durch jeden Muskel und stoße auf Erinnerungen. Sie scheinen als Bilder in meinen Verspannungen abgespeichert zu sein.
Die Chinesen nenne das Blockaden.
Mit Anstrengung, Ehrgeiz und Biss komme ich gegen diese Blockaden nicht an. Um sie zu lösen, lasse ich die Bilder wie Wolken an mir vorbeiziehen. Oder ich stelle mir vor, mein verspannter Nacken sei ein Sandsteinfels, auf den es beständig niederregnet, bis der Stein zu Sand zerbröselt. In meiner Vorstellung versuche ich nicht, etwas zu bewirken, sondern lasse einfach zu, dass die Dinge geschehen. Ich bin völlig passiv.
Bin ich jetzt ein Softie? Nein. Meditation ist nichts für Angsthasen. Ich lasse mich auf den Kontrollverlust ein, und das erfordert Mut. Mut und Vertrauen in mein tieferes Ich: mein selbst. Denn mein Ego sieht nur das, was es sich alles erkämpft hat. Dieser Blick macht es äußerst verletzlich. Es muss fürchten, in Zukunft einmal nicht mehr so viel leisten zu können wie jetzt. Es hat Angst, dass das Erreichte irgendwann irrelevant werden könnte.
In der Mediation begegnet mir der kleine Junge mit den Spinnenbeinen wieder. Und es ist in Ordnung, er braucht keine Angst zu haben. Ich akzeptierte ihn als den, der er ist – nicht für das, was er kann, macht oder hat. Und so finde ich allmählich zu einem wahrhaftigen Vertrauen in mein selbst.
Diese Suche nach der inneren Gelassenheit ist für mich das Wichtigste beim Qi Gong. Gleichzeitig ist Qi Gong nicht nur gesund, sondern die Basis für das Xingyi Chuan, neben dem bekannten Taiji eine der drei sogenannten inneren Kampfkünste Chinas. Und so treffe ich mich mit den gleichen Herren aus meiner Meditations-Gruppe einen Tag später zum Sparring. Wir machen uns zunächst einmal so richtig weich und locker, um uns anschließend ganz entspannt und liebevoll auf die Zwölft zu hauen. In meinen zwölf Jahren Karate habe ich nie so eingesteckt wie hier. Qi Gong kann eben doch ganz schön hart sein – „typisch“ männlich, wenn man so will.
Autoreninfo in der Zeitung
Peter Knobloch hat keine Angst, als Softie zu gelten, wenn er mit Frauen über Qigong spricht. Die meisten sind interessiert.Erscheinungsort: Der Freitag
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