Samir Biberovic drückt sich gewählt aus. Er will „eher dem Menschen als seiner Nationalität begegnen“, will junge Roma dazu motivieren, Selbstbewusstsein zu entwickeln, Vorurteile mit Taten zu widerlegen. Es brauche Idole, die sich zu ihrer Identität als Roma bekennen. Nur so, meint Samir Biberovic, könne man die negativen Stereotype brechen.
Jugendliche, die zu dem 23-Jähringen ins Neuköllner Hinterhaus kommen, ihn um Rat bitten, beschreiben ihm eine Art Kasten-System auf deutschen Pausenhöfen. In dieser Rangordnung stünden die Roma an letzter Stelle. Und die sagen sich, so Biberovic: „Wieso soll ich zur Schule gehen? Ich gehe doch lieber ‚Kabel schälen‘ und Aluminium sammeln und verdiene so mein Geld. Wieso sollte ich mit den Deutschen zusammen in der Klasse sitzen. Ich bin Zigeuner, ich muss arbeiten, ich muss heiraten, ich muss Kinder machen.“ Samir Biberovic unterstützt die Jugendlichen dabei, sich von solchen Denkmustern zu lösen. Er selbst plant, im nächsten Jahr zu studieren.
Neben dem S-Bahnhof Friedrichstraße heizt rasantes Getrommel die Luft an, das kräftige Staccato eines Blasorchesters dröhnt über den Platz. Einige Dutzend Beobachter stehen staunend vor der turbulenten Geräuschkulisse. Manche verschränkten die Armen, blicken skeptisch drein. Andere gehen mit einem Lächeln vorüber, lassen eine Münze in den offenen Instrumentenkoffer springen. Eine rothaarige Frau bahnt sich im Marschschritt ihren Weg durch die Zuschauer, sticht dabei mit denZeigefingern den Takt in die Luft.
„Wir Roma haben die europäische Kultur mit beeinflusst“, erklärt Samir Biberovic. „Wenn es zum Beispiel um Musik geht.“ Aber auch das sei ein positiver Stereotyp, dass jeder Zigeuner Geige spielen könne, musikalisch veranlagt sei und am Lagerfeuer geboren wurde.
Sein Verein Amaro Drom berät auch rumänische Roma, hilft ihnen bei behördlichen Schwierigkeiten, kümmert sich um Arbeitsgenehmigungen, Krankenversicherung, Einschulungen und unterstützt sie bei der Wohnungssuche. Für alle Roma könne er aber nicht sprechen, sagt Samir Biberovic. Zu unterschiedlich seien die verschiedenen Gruppen und ihre Interessen. Dass auch zwischen Roma kulturelle, soziale und ökomische Pluralität herrscht, wird häufig unterschlagen. Seit langem leben sie durch nationale Grenzen getrennt. Trotzdem betrachtet die Mehrheitsgesellschaft sie häufig als einheitliche staatenlose Nation.