Rumänische Politiker versuchen die Bezeichnung Zigeuner wieder salonfähig zu machen. Sie fürchten die Nähe zwischen den Wörtern Roma und Rumäne. Straftaten, die rumänische Staatsbürger in Frankreich, Italien oder Deutschland begehen, ließen sich so komplett auf jene abwälzen, die man als Zigeuner stigmatisiert. In dieser Form beschreibt der Begriff kein Volk, sondern kriminelle Strukturen. Krumme Geschäfte, Einbrüche und Diebstahl nennt man auf Rumänisch auch ?iganie, Zigeunerei. Was ist aber mit jenen Rumänen, die für drei Monate nach Deutschland kommen und schwarz auf dem Bau oder als Erntehelfer arbeiten? Die meisten sind keine Roma, arbeiten aber illegal. Sind sie künftig auch Zigeuner? Deutsche Medien werfen sie ohnehin häufig in einen Topf mit jenen, die betteln, Autoscheiben putzen und auf der Straße musizieren.
Dass Letztere tatsächlich häufig aus der Roma-Minderheit stammen, verdeutlicht eines: Wie stark diese Menschen in ihrer Heimat ausgegrenzt werden. Diese Existenz am Rand der Gesellschaft setzen sie hier fort, sofern sich niemand um ihre gleichberechtigte Integration bemüht. In Rumänien ist es ihnen kaum möglich, ein normales Leben zu führen – gar unmöglich, ohne die eigenen Wurzeln zu leugnen. So erlebt es auch ein junger homosexueller Roma in Bukarest. Er arbeitet erfolgreich als Grafik-Designer, trägt die neuste Mode, geht in die angesagtesten Clubs der Metropole. Damit enttäuscht er alle üblichen Stereotype. Die Folge: Er wird für einen Araber gehalten. „Menschen, die unauffällig in der Normalität leben“, erklärt Frank Reuter vom Zentralrat deutscher Sinti und Roma, „ nimmt man in der Regel auch nicht als Roma oder Sinti wahr.“
Die sechs Straßenmusikanten der „Fanfara Preda Band“ kommen aus den verschiedensten Ecken Rumäniens. Sie spielen bekannte Stücke von Goran Bregovic, klassische Roma-Folklore aber auch weltberühmte Titel wie Kalinka. Fünf der sechs Musikanten sind dunkel und schwarzhaarig. Der gut gelaunte Saxophonist mit seinem etwas helleren Teint und dem grau gelockten Haar sticht besonders hervor. Pedro, wie er sich nennt, ist der Bandleader. Nach fünf Minuten findet die Kapelle einen ersten Abnehmer ihrer selbstgebrannten CD. Den frisch verdienten Schein hält Pedro sich genüsslich vor die Nase, riecht, als wolle er zeigen, wie sehr das Geld duftet.
Einen Interviewtermin verschiebt der Bandleader am Telefon. Aus dem Hintergrund tönt noch die Tuba durch den Hörer. Nach dreimaligem Aufschub soll das Treffen am Alexanderplatz stattfinden. Pedro erscheint nicht und ist auch telefonisch nicht mehr zu erreichen. Und das Mädchen mit dem Kaffeebecher, das regelmäßig vor dem Stromkasten auf der Potsdamer Straße saß? Seit ein paar Tagen ist sie dort nicht mehr zu sehen.
Vermutlich musste die junge Romni das Revier wechseln. Einen Artikel über Roma, in dem das Mädchen die Hauptrolle spielt, kann ihre Familie nicht gebrauchen. Auch Pedro und seine Fanfara Preda Band kommen, ohne in den Kontext mit Zigeunerkriminalität gestellt zu werden, vermutlich besser über die Runden.
Erscheinungsort: Cicero Online
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